28.1.2015
Jahresauftakt-Pressekonferenz Weinbauverband Württemberg
Mehr Verantwortung für den Weinbauverband
Hohl fordert weniger Bürokratie
Mit Verabschiedung ihrer EU-Agrarreform hat die EU-Kommission den bisher geltenden Anbaustopp für Reben begraben. Die zunächst angestrebte totale Liberalisierung konnte aber durch ein gemeinsames Votum der Verbände im Schulterschluss mit Landes- und Bundesregierung verhindert werden. Für den Präsidenten des Weinbauverbandes Württemberg (wvw), Hermann Hohl ein großer Verhandlungserfolg: „Das ab 2016 neu einzuführende Autorisierungssystem bietet die Möglichkeit zu einem maßvollen Wachstum des Rebgebietes und damit auch gute Chancen zu einer Weiterentwicklung unserer Betriebe“, unterstrich Hohl bei der Jahresauftakt-Pressekonferenz des wvw am 28. Januar 2015 in Weinsberg. Dies sei nicht zuletzt auch aus betriebswirtschaftlichen Gründen sinnvoll.
Bauchschmerzen bereitet dem Präsidenten allerdings die aktuelle Diskussion um die Umsetzung der Neuregelung. Hohl befürchtet ein Bürokratiemonster neuen Ausmaßes. Zwar konnte die zunächst angedachte doppelte Beantragung von Neuanpflanzungsrechten auf Drängen der Weinbauverbände abgewendet werden. Doch der erwünschten subsidiären Vergabe der Pflanzrechte nach einem Rebsortenschlüssel an die einzelnen Bundesländer hat die EU-Kommission zum Missfallen des Verbandschefs eine Absage erteilt. Unsicher scheint derzeit auch, ob die mit großem Aufwand definierten ‚Prioritätskriterien‘ (anhand derer entschieden werden kann, wo und von wem neue Weinberge angelegt werden dürfen) geeignet sind, den Rebflächenzuwachs in die Weinbaugebiete und konkret auch nach Württemberg zu steuern - oder ob sich dies sogar ins Gegenteil umkehren kann. Hier brauchen wir dringend eine pragmatische Lösung, die unseren Betrieben gerecht wird!“, drängte Hermann Hohl.
Deutschlandweit sollen Neuanpflanzungsrechte in Höhe von maximal 1% der bestehenden Rebfläche neu vergeben werden (ca. 1.000 ha), der Weinbauverband Württemberg spricht sich für ein moderates Wachstum in Höhe von 0,5% aus. Werden mehr Flächen beantragt als zu vergeben sind, könnte - alternativ zur Nutzung der Prioritätskriterien - eine dem Antragsvolumen entsprechende prozentuale Zuteilung erfolgen. „Wie das praxisnah aussehen kann, ist uns derzeit mehr als schleierhaft“, ärgert sich Hohl.
Wir sind uns jedenfalls sicher, dass wir neue Pflanzmöglichkeiten benötigen und auch schaffen wollen. Wo diese Flächen entstehen dürfen, kann größtenteils über die 2012 eingeführten „Lastenhefte“ definiert werden (Download im Internet unter http://www. bmel.de/SharedDocs/Downloads/Landwirtschaft/Pflanze/Weinbau/
gU_Wuerttemberg.pdf?__blob=publicationFile). Demzufolge sollen neue Flächen, die zur garantierten Ursprungsbezeichnung (g.U.) Württemberg gehören, innerhalb der existierenden Rebenaufbaupläne entstehen sowie – neu – auch im räumlichen Zusammenhang dazu. Rechtlich sollen hierzu im Einvernehmen mit der Landesregierung die entsprechenden Voraussetzungen geschaffen werden. Hierzu wurde dem Weinbauverband Württemberg die Verantwortung zur Pflege und Weiterentwicklung des Lastenheftes übertragen.
Im Sinne einer Deregulierung vollzieht der Verband in der Produktspezifikation zur g.U. Württemberg erste Vereinfachungen im Sinne der Branche: Einem Vorstandsbeschluss folgend können bald folgende „neue“ Sorten mit der Herkunftsangabe „Württemberg“ vermarktet werden: Hölder, Juwel, Muscaris, Roter Muskateller, Roter Riesling, Sauvignon Gryn / Cita / Sary, Silcher, Souvignier gris sowie die Rotweinsorten Hegel, Lagrein, Malbec, Nebbiolo, Pinotage, Sangiovese, Schwarzer Urban, Tempranillo. Damit entfällt bei diesen Sorten auch der Zusatz „Aus Versuchsanbau“.
Auch bei der anstehenden Umsetzung des neuen EU-weit einzuführenden Systems zur Vergabe von Pflanzrechten fordert Weinbaupräsident Hermann Hohl eine praxisgerechte Umsetzung. „Schon jetzt sind unsere Betriebe mit einem Ausmaß an Bürokratie belastet, das kaum noch zu rechtfertigen ist. Dieser bürokratische Würgegriff vermiest vielen Kollegen die Lust am Winzerberuf. Das kann so nicht weitergehen.“
Voraussetzung: Amtliche Produktprüfung
Voraussetzung für die Nutzung der Herkunftsbezeichnung „Württemberg“ ist die erfolgreiche Absolvierung der Amtlichen Produktprüfung. Die Organisation der Qualitätsweinprüfung wurde im Jahr 1999 dem Weinbauverband Württemberg übertragen, zuständige Landesbehörde ist die Prüfstelle für Wein und Sekt an der LVWO Weinsberg. Prüfstellenleiterin Magdalena Dreisiebner gab im Rahmen der Jahresauftaktpressekonferenz einen aktuellen Einblick: „Im Jahr 2014 haben insgesamt 91,6 Millionen Liter in 12.088 einzelnen Partien die Qualitätsweinprüfung durchlaufen. Das Erreichen der Amtlichen Prüfungsnummer ist also hoch attraktiv und sehr begehrt.“
Hinter der Negativauslese steckt ein enormer Aufwand, wie Dreisiebner auch anhand eines Praxisbeispiels verdeutlichten konnte. Zuletzt umgesetzte Neuerungen haben den Ablauf der Prüfung aber vereinfacht und inhaltlich weiter optimiert. Das vor knapp zwei Jahren eingeführte neue EDV-Programm läuft zwischenzeitlich reibungslos und so werden zum Beispiel seit September 2014 die Einzelbewertungen durch die Prüfer selbst elektronisch erfasst und unmittelbar ausgewertet. „Auch das war ein richtiger Schritt in die richtige Richtung und sorgt für eine noch höhere Professionalität“, kommentiert Weinbaupräsident Hermann Hohl.