07.09.2012
„Der Weinbau in Baden-Württemberg ist geprägt von sehr kleinen Produktionsstrukturen und einer starken gesellschaftlichen Verankerung des Weinbaus. Landesweit bewirtschaften etwa 30.000 Winzerinnen und Winzer im Haupt- und vielfach im Nebenerwerb rund 28.000 Hektar Rebflächen. Über die Jahrzehnte hinweg wurden in unseren beiden Weinanbaugebieten Baden und Württemberg die für den Qualitätsanbau am besten geeigneten Lagen - darunter sehr viele Hang- und Steillagen - für den Weinbau ausgewählt. Den geltenden Anbauregeln kommt deshalb im Hinblick auf Qualität, Produktionsstrukturen und die Weinkulturlandschaft eine zentrale Rolle zu“, sagte der baden-württembergische Verbraucherminister Alexander Bonde bei der Eröffnung des Heilbronner Weindorfes am Freitag (7. September).
Minister Alexander Bonde, die Deutsche Weinkönigin Annika Strebel, Württembergs Weinbauverbandspräsident Hermann Hohl und Heilbronns Verkehrsdirektor Bernhard Winkler bei der Eröffnung des Weindorfes. Die Deutsche Weinkönigin verriet, dass sie bundesweit „nur einer
handvoll Festen“ die Ehre eines offiziellen
Grußwortes gibt. Einen
Bummel übers Weindorf ist für sie „die absolut
perfekte Weinreise“.
Auch die Württemberger Weinkönigin Petra Hammer (links) war bei der Weindorferöffnung auf dem Heilbronner Marktplatz dabei. Rechts: Deutsche Weinkönigin Annika Strebel.
Umso mehr Kummer bereite ihm die Entscheidung der Europäischen Union, den seit Jahrzehnten geltenden Anbaustopp für Reben Ende des Jahres 2015 auslaufen zu lassen, sagte Bonde weiter. „Nach einem Ende des Anbaustopps könnte in Europa auf allen Flächen in allen Ländern Weinbau betrieben werden. Das ist die zur Zeit immer noch geltende Rechtslage, die unbedingt geändert werden muss.“
Diese glasklare Haltung der grün-roten Landesregierung habe er in politischen Gesprächen mit hochrangigen Vertretern von EU-Kommission und Europäischem Parlament vergangene Woche in Brüssel erneut sehr deutlich zum Ausdruck gebracht, berichtete der Minister. „Es ist aus meiner Sicht der völlig falsche Weg, ein europäisches Massenprodukt Wein zu schaffen, um damit gegebenenfalls internationale Wettbewerber unterbieten zu können. Vielmehr sollten wir im Land weiter alles daran setzen Qualitätsweinbau zu betreiben, die Werte regional erzeugter Produkte zu vermitteln, diese erfolgreich zu vermarkten und so das Einkommen der Winzerinnen und Winzer zu sichern.“
Baden-Württemberg benötige weder die Produktion austauschbarer Standardweine noch internationale Investoren, die in den Weinbau als Geschäftsmodell nach Belieben ein- und ausstiegen, mahnte Bonde. „Als Weinbau- und Tourismusminister kenne und schätze ich die positiven Wechselwirkungen von nachhaltiger Produktion, Erhalt von Kulturlandschaft, Vermarktung regionaler Produkte, Gastronomie und Tourismus. Gerade der Weintourismus hat in vielen Weinbaugemeinden nach wie vor ein großes Wachstumspotential. Ohne unsere gewachsenen Weinbau-Kulturlandschaften können auch diese Bereiche nicht weiterentwickelt werden."
„Mit der Aufhebung des Anbaustopps ist auf europäischer Ebene eine krasse Fehlentscheidung getroffen worden, die schleunigst revidiert werden muss. Die Landesregierung setzt sich deshalb weiter auf allen Ebenen massiv für den Erhalt des Anbaustopps ein und kämpft im Interesse der baden-württembergischen Winzerinnen und Winzer für die Beibehaltung der bestehenden Anbauregeln“, so Bonde abschließend.
Hintergrund
Seit Jahrzehnten besteht im europäischen Weinbau ein bewährtes System von Qualitäts- und Anbauregeln mit Anpflanzrechten. Die Qualitätsweinbauregionen haben in diesem Zusammenhang die Anbaugebiete für den Weinbau abgegrenzt, geeignete Rebsorten klassifiziert, Mindestmostgewichte festgelegt sowie Hektarhöchsterträge definiert. Diese ganzheitliche Qualitätspolitik hat sich bei konsequenter Umsetzung bewährt.
Mit der letzten Reform des Weinmarktes hat die EU im Jahr 2008 beschlossen, den seit 1976 bestehenden Anbaustopp für Reben nur noch bis Ende 2015 in Europa zu befristen. Danach kann der Anbaustopp von den Mitgliedstaaten bis höchstens Ende 2018 verlängert werden. Ein Ende des Anbaustopps würde den Anbau von Weinreben auf beliebigen Flächen ermöglichen. Der aufwändige Steillagenweinbau mit seinen ausgezeichneten Lagen kann mit dem deutlich höheren Mechanisierungsgrad der Flachlagen wirtschaftlich nicht konkurrieren.
Als Folge der Aufgabe der Steillagen würde sich die gewachsene Kulturlandschaft deutlich verändern und an Attraktivität verlieren. Das zu erwartende Angebot an billigem Wein aus Flachlagen würde den Wettbewerb um Massenweine verstärken. Das bisher erreichte Weinqualitätsniveau und die etablierten regionaltypischen Weine hätten in diesem Umfeld nur wenig Chancen. Die Europäische Kommission ist verpflichtet, noch in diesem Jahr eine Halbzeitbewertung der bestehenden Weinmarktreform vorzulegen und insbesondere die Frage der Handhabung des Anbaustopps zu bewerten.
Die EU-Kommission hat deshalb eine hochrangige Arbeitsgruppe unter Beteiligung aller Mitgliedstaaten zur Thematik „Anbauregeln im Weinbau“ eingesetzt, die bis November 2012 eine Vorentscheidung erarbeiten soll.