13.5.2009
Das Interesse und die Erwartungen waren groß: 42 Weingärtner(innen) und Weinfreunde aus Württemberg, dazu zwei aus Portugal, erlebten bei einer so genannten „Einmal im Leben“-Reise Südamerika mit den Ländern Paraquay, Brasilien, Argentinien und Chile.
Die Lehrfahrt des Weinbauverbandes Württemberg begann in Asuncion, der 600000 Einwohner großen und ältesten Hauptstadt eines südamerikanischen Landes. Paraquay ist Bauernland und als Einwanderungsland sehr beliebt. Einige Württemberger haben dort Ländereien und versuchen ihr Glück im Sojaanbau oder in der Viehzucht.
Die Hauptstadt Asuncion, das als Missionsstation der Franziskaner gegründete Yaguaron, mit einer wunderschönen indianisch barocken Pfarrkirche, das 1881 als deutsche Kolonie gegründete San Bernardino am Lago Ypacarai waren die touristischen Höhepunkte der Reise. Musik ist Trumpf in Paraquay: zu allen Mahlzeiten wurde folkloristisch aufgespielt. Das wichtigste Instrument ist die Harfe.
Weinbaulich hat das Land nicht mehr viel zu bieten. 1980 hatte die Colonia Independencia, die bekannteste - von Badenern 1911 gegründete - Kolonie noch ca.3500 ha Weinbau. 1997 waren es noch 150 ha. Nur wenige halten die Fahne des Weinbaus noch hoch, darunter Gerhard Bühler mit seiner Bodega „Vino Vista Alegre". Er weilte während des Aufenthaltes der Württemberger Gruppe originellerweise in der Sportklinik in Stuttgart!!
Sein Mitarbeiter präsentierte für die dortigen kellerwirtschaftlichen Möglichkeiten
drei schöne Weine. Der Rote enthielt neben Garnacha auch Dornfelder, das weiße Cuvee Riesling und Silvaner.
Die Hauptprodukte der Colonia, in der überall noch deutsch gesprochen wird, sind vor allem Mais und Yerba mate (Mate-Tee ist in allen bereisten Ländern unheimlich beliebt) neben großen Rinder und Hühnerfarmen.
Die nächsten Tage der Reisewaren rein touristisch mit den einmaligen Iquazu-Wasserfällen, dem Itaipu-Staudamm im Dreiländereck von Brasilien, Argentinien und Paraquay und mit Buenos Aires.
In Mendoza fing die Weinreise richtig an. Kann man in zwei Tagen den argentinischen Wein und Weinbau kennen lernen? Natürlich nicht. Repräsentativ für ganz Argentinien waren die Weingüter, die wir besuchten sicherlich nicht: Catena Zapata, das Weingut von Nicolas Carena, Luigi Bosca, das Weingut der Familie Arizu, und die Bodega Vistalba von Carlos Pulenta sind absolute Spitzenbetriebe. Alle drei sind Protagonisten der Qualitätsoffensive in Argentinien. Entsprechend gut waren die Weine.
Malbec, Bonarda, Cabernet Sauvignon, Chardonnay, Sauvignon Blanc und die einzig autochtone Rebsorte Torrontes - alles wurde probiert und für gut empfunden. Jedes Weingut hat verschiedene Labels, die sich preislich deutlich unterscheiden. Die Premiumlinien sind preislich mit guten Bordeaux- Weinen zu vergleichen. Es ist geradezu ein Barrique-Wahn zu verzeichnen. 3000 oder 5000 Barriquefässer - wer bietet mehr? Auf den Preislisten wird nicht „im Barrique gereift“, sondern „unoaked“ aufgeführt. Lediglich Vistalba hielt sich etwas bedeckt.
Die Betriebsgrößen sind für unsere Verhältnisse gigantisch. Luigi Bosca 600 ha. Cantena Zapata ähnlich, Vistalba ca.70 ha. Die Architektur der Weingüter ist sehenswert: im Hintergrund die schneebedeckten Anden, in der Regel ein angeschlossenes Restaurant, manchmal ein Hotel. Der Weintourismus boomt zurzeit.
Die Anbaufläche ging in Argentinien in den letzten 30 Jahren von über 300000 ha auf jetzt 225000 ha zurück, da der Inlands-Prokopfverbrauch von über 90 l auf unter 30 l zurückgegangen ist. Höchste Erträge für Einfachstweine in Fünf-Liter-Behältern (Damajuanas ) waren und sind nicht mehr gefragt. Außerdem stiegen nach dem Staatsbankrott 2002 viele ausländische Investoren ein, um vom billigen Peso zu profitieren und natürlich Wein für den globalen Markt zu produzieren. Dies wurde offensichtlich erreicht, denn die Rebfläche stieg in den letzten Jahren wieder moderat an.
Argentinische Steaks sind die besten der Welt! 600g wiegt ein Baby-Beef und in Mendoza, einer wunderschönen grünen Stadt, wurde von unserer Gruppe so manches ohne Probleme verspeist.
Ein weiterer Höhepunkt der Reise war die Busfahrt über die Anden. Auf dem Andenpass (Paso Los Libertadores) hat man einen traumhaften Blick auf den höchsten Berg der Anden, den Aconcaqua (6962 m).
Santiago, die Hauptstadt von Chile, ist allein schon eine Reise nach Südamerika wert. Die Vier-Millionen-Metropole liegt inmitten des Weinbaugebietes Maipo . Nur ca. 20 km südlich von Santiago liegt die Zentrale des Weinimperiums Concha Y Toro. Wein von 7500 ha vermarktet dieser an der New Yorker Börse notierte Betrieb weltweit. Concho Y Toro besitzt Rebflächen in fast allen 14 Weinbaugebieten von Chile und in Argentinien. Lange Jahre war der Chef-Oenologe von Concho Götz von Gersdorff, der seine Ausbildung in Weinsberg absolviert hat. Er hat in der chilenischen Weinwelt einen unglaublichen Ruf. Die Weinprobe war exzellent. Es wurden auch einige Sorten der Casillero del Diablo Serie verprobt, die weltweit vermarktet werden.
Mendoza gleicht fast einer Wüste. Lediglich 5% der Fläche ist fruchtbar. Ohne das Wasser aus den Anden geht da gar nichts. Im Gegensatz dazu sind die Niederschlagsmengen im Winter in Chile beachtlich (zwischen und 350 und 1200 mm je nach Weinbaugebiet. Das Fluten der Weinberge oder die Tröpfchenbewässerung ist obligat, Schädlinge sind fast unbekannt. Selbst die Reblaus hat den Sprung über die Anden nicht geschafft.
Heinrich-Karl Koppenhöfer vom Rittelhof bei Löwenstein und Eugenio Eben aus Molina im Curico Valley, 200 km südlich von Santiago, waren 1960/61 Schulkameraden an der Weinbauschule in Weinsberg. Klaus-Dieter Schröder hat die Weinbauschule einen Kurs vorher besucht. Nun gab es ein fröhliches Wiedersehen in Chile. Aresti, das Weingut von Eugen Eben und Alta Cima , das Weingut von Schröder liegen keine 20 km auseinander.
Neben Aresti , dem Weingut mit ca. 500 ha, bewirtschaftet Eugen Eben auch noch 1000 ha Obst (vor allem Granny Smith) und 100 ha Granberrys. Nächstes Jahr wird der dynamische Mittsechziger 100 ha Haselnüsse pflanzen.
Klaus-Dieter Schröder war lange Berater bei verschiedenen Kellereien und Chef des Oenologenverbandes von Chile. Sein Weingut Alta Cima ist 80 ha groß - für chilenische Verhältnisse ein kleines, aber sehr feines Weingut. Ab 2010 kommt ein Hotel dazu.
Aresti hat ein Join Venture mit der bekannten Firma Racke. Die Weine unter dem Namen Espiritu de Chile werden von Racke in ganz Europa vertrieben - in Deutschland unter anderen bei Metro und Lidl.
Die Stimmung am schönsten Tag unserer Reise war fast familiär. Zwei Weinproben mit hervorragenden Weinen (Cabernet Sauvignon, Chardonnay, Merlot, Sauvignon Blanc, ja sogar ein Gewürztraminer und einiges mehr) standen zur Verkostung an.
Auch kulinarisch wurden wir unglaublich verwöhnt. In einem Ambiente, welches man normalerweise nur von trivialen Privatfernsehsendern kennt, wurde diniert. Eine lange Tafel inmitten der Weinberge, ein kleiner See, gute Live–Musik und genauso gutes Essen auf einem Bio-Weingut von Eugenio Eben. Abends ein tolles Menü von Frau Hanke, der Frau von Klaus-Dieter Schröder, zubereitet. „Chile, lange Blüte aus Meer, aus Wein, aus Schnee, wann darf ich dich wieder sehen?“ Dieses Zitat des wohl bekanntesten Schriftstellers Chiles, Pablo Neruda , bekam an diesem Abend einen besonderen Sinn.
Der letzte Tag unserer Weinreise führte uns ins Casablanca Tal. Vor 1980 gab es dort keinen Weinbau, inzwischen sind es 4200 ha. Chardonnay und Sauvignon Blanc sind die Hauptsorten. Das Klima im Tal wird durch den Humboldtstrom stark beeinflusst. Es ist nachts empfindlich kalt. So gedeihen mit die besten und fruchtigsten Weißweine in diesem Tal.
Von Santiago nach Valparaiso, der Stadt am Pazifik (Weltkulturerbe) sind es nur 120 km. Auf der Strecke liegen die drei international bekannten Weingüter William Cole, Casas del Bosque und Vina Mar. Alle drei sind für den Weintourismus sehr gut aufgestellt. Neben den sehr guten Weinproben gibt es z.B. bei Casas del Bosque ein schönes Restaurant. Schöne Wein-Bauten (zurzeit ein Lieblingsthema in Württemberg) wurde dort durch gute Architekten und potente Investoren schon vor 20 bis 30 Jahren erstelltt .Maria Elena Quezada ist Chefoenologin bei Vina Mar, Sie besprach die Sekte und Weine des Weingutes, führte uns durch den Keller, ließ uns 2009 Federweißen probieren. Die erfahrene Oenologin war auf Einladung einer bekannten Korkenfabrik auch schon in Weinsberg. Sie bedauerte die „low prices“, welche dieses Jahr den Weingärtnern bezahlt werden - zwischen 5 und 10 €-Cent per Kilo! Ich hoffe, es war ein Übersetzungsfehler. So billig wie noch nie. Ähnlich wie in der ganzen neuen Welt.
Fazit über den Dächern von Santiago, dem Restaurant auf dem Hausberg der Stadt: Keiner hat die Reise bereut. Die Erwartungen wurden nicht nur erfüllt, sondern - so der generelle Tenor - bei weitem übertroffen.
Da wir 2009 nicht alle Reiseinteressenten berücksichtigen konnten, weil durch die Andenüberquerung die Busgröße begrenzt ist, wird die Südamerika-Weintour bei genügendem Interesse im Februar 2010 vom Reisebüro VB-Reisen Lufthansa City Center, Bad Friedrichshall (Geschäftsführer ist Sven Gebauer) in leicht modifizierter Form wiederholt.
Unverbindliche Anmeldungen entweder beim Weinbauverband (Angelika Schild Telefon 07134/8091) oder VB-Reisen (Sven Gebauer Telefon 07136/95670).
Karl-Heinz Vollert