Von Dr. Klaus Herrmann, Hohenheim
Hätte man es nicht selbst miterlebt, man würde es nicht glauben, so sehr hat sich die Arbeit im Weinberg während der letzten sechs Jahrzehnte verändert! „Weinbergsarbeit ist Handarbeit“, hieß es wie selbstverständlich noch in den ersten Nachkriegsjahren. Entsprechend bescheiden fiel die technische Ausstattung der meisten Weinbaubetriebe aus. Spaten, Karst, verschiedene Hauen, Rebscheren, hölzerne Traubenbutten, Handwagen und, wenn es hoch kam, einen Gespann gezogener Leiterwagen nannten die Winzer ihr Eigen und sahen sich damit für die Arbeit im Weinberg gut aufgestellt.
Einzig die auf nahezu allen Betrieben vorzufindende Rückentragespritze fiel aus dem Rahmen. Sie verkörperte so etwas wie technischen Fortschritt, bewegten sich in ihr doch Kolben und Membrane, auch wurde Druck bis zu 10 bar aufgebaut, was gefährlich sein konnte. Respekt hatten die Winzer ferner vor der bis zu 2000 Liter pro Hektar betragenden, mit allerlei Wirkstoffen behafteten Spritzbrühe, die mit diesen Geräten ausgebracht werden musste. Nicht wenige Winzer sahen darin Vorboten einer neuen, von Technik und Chemie bestimmten Zeit, die nicht lange auf sich warten lassen sollte.
Dass sich Veränderungen im Weinbau anbahnten, bekamen zunächst die Zugtiere zu spüren. Kühe, Ochsen und Pferde , über Generationen hinweg bewährte Helfer bei der Weinbergsarbeit, sahen sich bereits um 1950 der Herausforderung durch motorisierte Einachsfahrzeuge ausgesetzt. Anfangs eher ungelenk zu handhaben, entwickelten Hersteller wie Agria, Bungartz, Gutbrod, Holder und Irus, übrigens sämtlich in Baden-Württemberg und Bayern ansässig, schon in den frühen 1950er Jahren ganze Anbau-Gerätetreihen vom Pflug über den Grubber bis hin zur Fräse, die den Einachsschlepper vielseitig einsetzbar machten.
Und als dann auch noch Transport-Einachsanhänger auf den Markt kamen, da bedeutete dies für viele Winzer eine Revolution der leidigen Transportfrage. Endlich konnten Zuber und Stickel zum Weinberg und das Lesegut zur Kelter gefahren werden, brauchten Lesehelfer den oft weiten Weg hinaus zu den Weinbergen nicht mehr zu Fuß zurückzulegen. Es war schon erstaunlich, was alles auf die versicherungs- und steuerfreien Fahrzeuge hinaufpasste, die von der ganzen Wengerterfamilie als Erleichterung empfunden wurden. Hinzu kam, dass Schaffkühe und Pferde das ganze Jahr über Futter brauchten und betreut sein wollten, während der Einachsschlepper nur dann Kraftstoff benötigte, wenn er tatsächlich lief.
Aber allzu lange währte die Einachsschleppereuphorie nicht. Bereits 1954, am Rande des Weinbaukongresses in Heilbronn, stellte die in Metzingen am Fuß der Schwäbischen Alb beheimatete Fa. Holder den ersten 10 PS-Allradschlepper A 10 vor, der sogleich große Beachtung fand. Vier gleichgroße Räder, Allradantrieb, Knicklenkung, niedere und schmale Bauweise gaben dem Fahrzeug gute Zugleistung bei hoher Wendigkeit und eröffneten den Winzern neue Möglichkeiten im Direktzug.
Auf ihn lief die Entwicklung überall dort zu, wo Gelände und Weinbergsanlage es erlaubten. Mit jedem Hektar flurbereinigter Weinberge und neu errichteter Drahtanlagen verbesserten sich die Voraussetzungen für eine erfolgreiche Mechanisierung, bei der der Schmalspurschlepper die Funktion einer Leitmaschine einnahm. Ob mit angebautem Pflug bei der Bodenbearbeitung oder mit aufmontiertem Spritzgerät, stets erwies er sich als überlegen, bis schließlich auch die Weinberge selbst treckergerecht angelegt waren. Mindestgassenbreiten von 1,50 m und Vorgewende zwischen 3,50 m und 4,00 m sorgten dafür, dass der Weinbergschlepper seine Stärken noch besser entfalten konnte.
Die Schlepper fahrenden Winzer gaben sich bis weit in die 1960er Jahre hinein überaus bescheiden. Stundenlang saßen sie in ihren eng gebauten Fahrzeugen auf schlecht gefederten Blechschüsseln, ehe 1968 die im schwäbischen Aulendorf beheimatete Fa. Hela mit dem Varimot erstmals so etwas wie Bedienerkomfort anbot. Der Schlepper war für die Winzer zum Arbeitsplatz geworden, eine Erkenntnis, der sich fortan kein Schmalspurschlepperhersteller, von Eicher über Fendt bis Krieger und Sauerburger, verschließen konnte. Wie überhaupt die Anforderungen an Weinbergschlepper ständig zunahmen.
Über Zapfwelle sollten sie Fräse, Düngerstreuer, Mulcher und Pflanzenschutzgeräte antreiben, über Hydraulik Kultivatoren steuern, Stockräumer ein- und ausschwenken und Laubschneider einsetzen, mit dem Allradantrieb sollten sie Steigungen bis zu 45 % nehmen und dank der ausgefeilten Achsschenkel- bzw. Knicklenkung nahezu auf der Stelle wenden können. Motorisierte Tausendsassas waren gefragt, die zudem immer stärker wurden und heute durchaus auch schon einmal an die 100 PS stark sein können.
Nach dem 2. Weltkrieg entfielen ca. 20 Prozent der Weinbergsarbeiten auf die Bodenbearbeitung. Tiefes Hacken mit dem Karst im Frühjahr war besonders gefürchtet, aber auch das mehrfache flache Felgen mit der Schiffel war alles andere als ein Zuckerschlecken. „Hacken bringt breite Hände und rote Backen“ pflegte man in den Dörfern zu sagen, wenn die Wengerter abgeschafft nach Hause kam. Dazu passte das Düngen der Weinberge mit Stallmist, ebenfalls schwere körperliche Arbeit. Doch dort, wo Traktoren die Tiere verdrängten, fehlte der Mist und die im Direktzug verdichteten Böden riefen nach einer Alternative.
So erlebte, beginnend in den 1960er Jahren, die Bodenbegrünung eine zunehmende Verbreitung, was aber nicht hieß, dass die Weinbergsarbeit deshalb leichter geworden wäre. Anders war sie geworden, denn nun mussten die Grünflächen geschnitten und die Stöcke geputzt werden, was einigen Sachverstand erforderte. So entwickelte die Waiblinger Fa. Stihl ein handliches Freischneidegerät, das aber nicht auf Anhieb die erhoffte Flächenleistung brachte. Erst als an den Schlepper anzubauende, über Taster gesteuerte vollautomatische Stockputzer auf den Markt kamen, ging die Arbeit leichter und rascher vonstatten.
Zunächst erfolgte der Antrieb der Stockputzer mechanisch, dann über Ketten und Riemen, doch richtig exakt und stockschonend konnte erst gearbeitet werden, als Mitte der 1970er Jahre hydraulisch gesteuerte Tastsysteme praxisreif geworden waren. Dann kam die hohe Zeit der Herbizidspritzungen. Das Grünland wurde zum Spielball der Chemie, doch die Risiken waren bald spürbar, zeigte doch auch der Wein Wirkung. Dazu passte das seit Ende der 1980er Jahre verstärkte Umweltbewusstsein, mit der Konsequenz einer Renaissance der mechanischen Bodenbearbeitung. Sie erfolgt heute häufig mit Flachschargeräten, die vollhydraulisch arbeiten und mit Tastbügeln ausgerüstet sind.
Ein die ganze Wengerterfamilie belastendes Kapitel der Weinbergsarbeit bildeten während der letzten 60 Jahre Rodung und Neuanlage. Die damit verbundenen Entscheidungen wollten wohl überlegt sein, bedeuteten sie doch zum einen eine finanzielle, zum anderen aber auch eine körperliche Kraftanstrengung. Nur wer selbst einmal mit Spaten und Schippe den Weinbergsboden bis auf 80 cm Tiefe ausgehoben hat, wer das über und über mit Erde durchsetzte Wurzelwerk aus dem Boden gehoben hat, weiß den durch einen guten Rigolpflug bewirkten Fortschritt angemessen zu würdigen. Prof. Preuschen, Bad Kreuznach, zählte bereits in den späten 1950er Jahren zu den Pionieren, die unter anderem mit der Pflugfabrik Gebr. Eberhardt in Ulm versucht haben, leistungsfähige Rigolpflüge zu entwickeln.
Ein interessantes Bodenlockerungsgerät mit eigenem Motorantrieb stellte 1967 auch die Pflugfabrik Karl und Josef Brenig, Bad Godesberg, vor, das sich im Praxisbetrieb aber dann doch als zu umständlich erwies. Inzwischen kommen an den Schlepper angebaute Spatenmaschinen und Erdbohrer zum Einsatz, mal in Seitenbauweise, mal quer zur Fahrtrichtung gehalten. Sie haben der Neuanlage von Weinbergen einen Teil des Schreckens genommen, aber einfach geworden ist sie deshalb nicht.
Zeitaufwendig waren die Pflegearbeiten im Weinberg. Dabei zählten Schneiden, Binden und , Ausputzen häufig zu den sog. Frauenarbeiten, die erst später ins Blickfeld der Konstrukteure traten. Doch spätestens zu dem Zeitpunkt, da auch die Frauenarbeit im Weinberg ihren Preis hatte, kamen zunehmend technische Hilfen auf den Markt. So präsentierte Ero 1970 erstmals einen Laubschneider, andere Hersteller brachten 1975 elektrische oder auch pneumatische Rebscheren zur Praxisreife und nochmals vier Jahre später wurde auf der Stuttgarter Intervitis erstmals ein Anbaugerät zur Mechanisierung der Heftarbeit vorgestellt.
Gewaltig waren anfangs die mit dem Heftgarn verbundenen Probleme, aber irgendwie hat man auch dies in den Griff bekommen. Selbst das mechanische Entlauben der Rebstöcke, lange als Relikt für die reine Handarbeit eingeschätzt, besorgen inzwischen Maschinen, ohne dass darunter die Qualität des Weins leiden würde.
Zu den sensibelsten Tätigkeiten im Weinberg gehörte von Anfang an der Pflanzenschutz. Krankheiten und Schädlingen vorzubeugen, war das eine, dafür zu sorgen, dass Winzer und Wein keinen Schaden nehmen, das andere. Sicher, Anfang der 1950er Jahre war man nicht kleinlich, gespritzt wurde, was das Zeug hergab. Doch spätestens mit dem Aufkommen der Sprühtechnik erkannten die Winzer, dass mit dem Einsatz von weniger Brühmenge eine durchaus bessere Wirkung verbunden sein konnte. Das 1951 von Solo auf den Markt gebrachte erste rückentragbare Sprühgerät leitete so etwas wie eine Revolution ein, der die Winzer zuerst zögernd, dann jedoch in großem Umfange gefolgt sind. Abschreckend wirkten der Lärm und die vom Motorsprüher ausgehenden Vibrationen, doch als man feststellte, dass man mit weniger als einem Zehntel der zuvor beim Spritzen erforderlichen Brühe auskam, da war die Sache entschieden.
Nur was ist schon von Dauer? 1964 kamen die ersten, ursprünglich aus den USA stammenden Großraumsprayer zum Einsatz. Ihre Reichweite betrug bis zu 40 m und leitete eine neue Dimension des Pflanzenschutzes ein, wenngleich - je nachdem wie der Wind stand - die Abtrift ein großes Problem war. Genau dieses Problem aber traf auch auf den Pflanzenschutz vom Hubschrauber aus zu. 1956 zeigten erste Versuche: Je schwieriger das Gelände, desto besser die Ergebnisse. Dennoch vergingen Jahre, ehe 1972 auf dem Staatsweingut Wildeck unternommene Versuche mit der Pflanzenschutzausbringung vom Hubschrauber aus die gewünschten Daten lieferten. Auch rückten sie den Anwenderschutz ins Zentrum der Betrachtung, ein Faktor, der zuvor kaum eine Rolle gespielt hatte.
Tatsächlich sprach vieles für den großflächigen Pflanzenschutz, weshalb 1979 allein im Gebiet des Regierungspräsidiums Stuttgart 500 ha Rebland vom Hubschrauber aus mit Pflanzenschutzmittel besprüht wurden. Doch inzwischen ist die Hubschrauber-Euphorie verflogen. Selbstfahrende, aufgebaute und gezogene Pflanzenschutztechnik von hoher Qualität bestimmt das Feld, wobei seit 1988 administrative Vorgaben dafür sorgen, dass alle Pflanzenschutzgeräte, vom legendären Solo Minor bis hin zum Recycling Sprühgerät von Myers, einer klar festgelegten zeitlichen Überprüfung zuzuführen sind.
Am Ende aller Mühen im Weinberg aber stand und steht die Lese. Sie führte in den 1950er Jahren Scharen von Lesefrauen und Helfern in die Weinberge, die mit klammen Fingern Trauben schnitten, sie in Eimer und Butten beförderten, ehe die Abträger das Lesegut zu den Zubern trugen. Nein, eine Idylle war dies nie, auch wenn der bereits zum Frühstück gereichte Glühwein manches erträglich erscheinen ließ. So fehlte es nicht an Mechanisierungsbemühungen, doch wie sollte die mechanische Weinlese gelingen? Seit im Jahr 1972 erstmals auf der Intervitis ein aus den USA stammender Traubenvollernter ausgestellt worden war, gab es Zweifel an der Lesequalität, die auch auf den Wein übertragen wurden. Sie führten in den 1980er Jahren zum Verbot der Traubenvollernter in Baden-Württemberg, das sich in anderen Weinbauregionen allerdings nicht halten ließ.
In dem Maße, wie sich die mechanische Traubenlese vor allem in Frankreich bewährte, kamen Traubenvollernter immer häufiger auch in Deutschland, insbesondere in der Pfalz, zum Einsatz. 1990 waren es dann schon 800 Maschinen, davon gerade einmal zwei in Württemberg. Doch aufhalten lässt sich der Arbeitskosten senkende technische Fortschritt auf Dauer nicht. So wurden im Jahre 2000 in Franken 40 und in Württemberg 10 Traubenvollernter gezählt mit einem frappierenden Ergebnis: Bei nahezu gleicher Lesequalität wurden nun nicht mehr 300 Arbeitsstunden je ha Weinlese benötigt, sondern nur noch zwei. Dass dies nicht in jeder Lage und bei jeder Rebsorte gilt, ist zutreffend. Im hochwertigen Prädikatsweinbau oder in Steillagen gelten immer noch eigene Gesetze und so, wie es aussieht, wird sich daran auch in Zukunft nichts ändern.